Schlaf mit zwei oder mehr Kindern

Was ändert sich mit der Ankunft des Geschwisterchens?

Ein Gespräch zwischen Geschwisterkursleiterin Eva Gruhnwald und Schlafberaterin (1001Kindernacht®) Eva Monteneri

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Das gesamte Gespräch gibt’s auch auf Instagram.

EG (Eva Gruhnwald): Liebe Eva, gibt es eine Tendenz, dass zweitgeborene Kinder besser schlafen?
EM (Eva Monteneri): In meinen Schlafberatungen habe ich genauso viele Familien mit dem zweiten, wie mit dem ersten Kind. Es ist ja nicht so, dass Kinder bescheiden schlafen, weil die Eltern etwas falsch machen, was sie dann beim zweiten Kind besser machen. Vielmehr ist es doch so, dass die Kinder Individuen sind mit einem unterschiedlichen Nähe- und Sicherheitsbedürfnis. Sie müssen sich in der Nacht dann unterschiedlich oft vergewissern.
Definitiv anders beim zweiten Kind ist aber, dass die Eltern doch besser Bescheid wissen. Beim ersten Kind sind viele Eltern überrascht, wie viel Begleitung Kinder in der Nacht tatsächlich brauchen. Beim zweiten Kind ist man oft weniger überrascht.

EG: Die Erwartungshaltung ist vielleicht anders, je nach dem, wie das erste Kind geschlafen hat, oder? Es kann ja auch sein, dass das Erstgeborene da nicht so herausfordernd war.
EM: Ja, das habe ich tatsächlich auch in meinen Beratungen: Eltern, deren erstes Kind ein entspannter Schläfer war,  haben dann manchmal das Gefühl, beim zweiten Kind etwas falsch zu machen. Aber sie machen nichts falsch. Das zweite Kind ist einfach eine neue Persönlichkeit.

Vorbereitung auf das Geschwisterchen

EG: Gibt es denn etwas, was Eltern vor der Geburt des zweiten Kindes im Hinblick auf die Schlafsituation vorbereiten sollten?
EM: Da muss man sich die Familiensituation anschauen. Es ist aber grundsätzlich sinnvoll, wenn in der Zeit kurz vor der Geburt, und damit meine ich einen, zwei, ja sogar drei Monate vor der Geburt, keine grossen Veränderungen geplant werden. Kinder brauchen gerade in solchen Zeiten sehr viel Stabilität. Denn auch wenn die grossen Geschwister plötzlich so gross aussehen, sie sind ja doch immer noch klein. Schiebt man z.B. zwei Wochen vor dem Geburtstermin das Kinderbett in ein anderes Zimmer, bringt das oft viel Unruhe und kann dazu führen, dass das Kind in dieser unruhigen Zeit eher mehr klammert, da es Verbindung sucht und die Familienstruktur eher wieder zu festigen versucht.
Je Familie ist es sehr unterschiedlich, welche Art von Vorbereitung sinnvoll sind. Für manche ist es gut zu wissen, dass sie das Familienbett mit zwei Kindern beibehalten können. Für wiederum andere bringt es Erleichterung, im Familienbett Platz zu schaffen für das Baby und zu wissen, dass das Erstgeborene bis zur Geburt gut im eigenen Bett angekommen ist.

EG: Eine grössere Veränderung zeitnah vor oder nach der Geburt birgt ja auch die Gefahr, dass das grosse Kind sie direkt mit dem Baby assoziiert und daraus Eifersucht entsteht: «Wegen dem Baby darf ich nicht mehr bei Mama und Papa schlafen». Aus meiner Sicht auch ein Argument dafür, grössere Veränderungen rechtzeitig anzugehen, bevor das Baby sich auf den Weg macht. Ein weiterer Punkt, der manche Eltern beschäftigt: Die Organisation während der Geburt. Für manche Kinder ist es das erste Mal, dass sie nicht bei den Eltern schlafen. Wäre denn dann eine Vorbereitung in Form einer Test-Übernachtung bei den Grosseltern oder der jeweiligen betreuenden Person sinnvoll?
EM: Wenn man den Luxus hat, dass diese Person in der Nähe lebt, ist das sicher gut. Nur für die Geburt üben ist aber auch kein Muss. Ich fände es da tatsächlich sinnvoller, dass die Person, die für die Geburt einspringt, zu einer Bindungsperson wird. Das kann man auch erstmal am Tag etablieren und dann zum Beispiel beim Mittagschlaf. So kann das Kind da schon die Erfahrung machen, dass diese Person es auch auffangen kann. Wenn die Person dann eine Bindungsperson ist, die trösten kann, dann klappt es in der Regel auch in der Nacht. Da darf man dann auch Vertrauen haben in die Bindungsperson und in das Kind

Familienbett mit zwei Kindern?

EG: Jetzt springen wir Mal gedanklich in die Zeit nach der Geburt. Welche Möglichkeiten gibt es denn nun überhaupt, als Familie zu schlafen? Das Familienbett hast du schon erwähnt. Dann gibt es ja auch die Möglichkeit, dass das Kind im eigenen Bett oder sogar eigenen Zimmer schläft und dann noch vieles dazwischen.
EM: Ja genau, fangen wir doch Mal mit dem Familienbett an. Da begegnen mir in der Beratung häufig die Sorgen, ob es genügend Platz haben wird für alle Familienmitglieder und ob sich die Kinder nicht gegenseitig wecken. Die erste Sorge kann ich leicht nehmen, wenn man wirklich genügend Platz einplant. Als Richtwert gilt da: pro Person 90 cm Platz. Zur zweiten Sorge des gegenseitigen Weckens: Es wird passieren, aber nur am Anfang. Immer wenn sich Schlafgewohnheiten ändern, dauert es seine Zeit, bis wir uns daran gewöhnt haben. Und das ist eben auch so, wenn das Baby und damit neue Geräusche mit ins Bett einziehen. Aber nach 2-3 Wochen sollte sich das legen.
Es kann sogar sein, dass durch das gemeinsame Schlafen im Familienbett weniger Unruhe entsteht, da die Mutter nicht aufstehen muss. Einen Versuch ist es also auf jeden Fall wert.

 

EG: Wie ist es denn im Hinblick auf die Sicherheit? Das Geschwisterkind und das Baby sollten wahrscheinlich im Familienbett mit zwei Kindern besser nicht nebeneinander schlafen, oder?
EM: Da kommt es darauf an, wie alt das grössere Geschwisterkind ist. Was aber sicher eine gute Lösung ist, ist, wenn das Baby am Rand neben der Mama liegt und das Geschwisterkind zwischen Mama und Papa.

EG: Und wie sieht es denn neben dem Familienbett mit anderen Schlafsituationen aus?
EM: Alle Schlafsituationen sind absolut legitim, wenn sie der Familie Ruhe bringen. Das kann auch sein, dass das ältere Kind im eigenen Zimmer schläft oder in einem eigenen Bettchen im Familienschlafzimmer. Wichtig ist dabei einfach, dass man weiss, dass es sein kann, dass das grössere Kind in der Übergangsphase mehr ruft.

EG: Mir fällt noch eine weitere Schlafsituation ein: Was hältst du denn davon, wenn sich eine Familie zum Schlafen aufteilt. Dass beispielsweise ein Elternteil mit dem Baby im einen Raum, der andere Elternteil mit dem grossen Geschwisterchen im anderen Raum schläft?
EM: Das ist eine Schlafsituation bei der ich immer wieder merke, dass sie sehr schambehaftet ist und beim Umfeld oft auf Unverständnis stösst. Es geht aber doch darum, dass die Familie zu möglichst erholsamem Schlaf kommt. Es spricht also überhaupt nichts dagegen, solange es der Familie Erleichterung bringt, und muss ja auch nicht für immer so sein. Es wäre ja schade, wenn man nur um als Paar im gleichen Bett zu schlafen, am Morgen gerädert aufwacht.

EG: Ich kann mich da gerne outen, um dieses Thema ein bisschen zu enttabuisieren. Wir haben verschiedene Situationen ausprobiert und schlafen aktuell auch getrennt. Bei einem Frühaufsteher- und einem Langschläferkind passt das so für uns gerade am Besten. Ich fand dabei eine gewisse Flexibilität hilfreich. Zum einen eine mentale Flexibilität sich auch auf unkonventionelle Schlafsituationen einlassen zu können, zum anderen aber auch eine – je nach Wohnsituation- räumliche Flexibilität mit mehr als nur einer Schlafstätte, wie zum Beispiel einem Gästebett oder einer Schlafcouch.
EM: Ja, da kommt nun aber wieder der Sicherheitsaspekt dazu. Auf einer Schlafcouch darum lieber mit dem älteren Kind schlafen. Mit Babys sollte man da vorsichtig sein, da sie oft weicher sind, als eine Matratze.

Einschlafbegleitung mit zwei Kindern

EG: Stimmt, ein wichtiger Punkt. Auch herausfordernd in der ersten Zeit mit mehreren Kindern: Wie kann ein Elternteil alleine beide Kinder ins Bett bringen?
EM: Da kommt es auch wieder sehr darauf an, wie alt das grosse Kind ist. Von einem Vierjährigen kann ich zumindest manchmal erwarten, dass es sich kurz alleine beschäftigt. Von einem Zweijährigen kann ich das nicht.
Zum Abendritual ist es zwar schön, wenn beide Elternteile da sind und je ein Kind begleiten können. Ich empfehle aber trotzdem von Anfang an ein Ritual zu etablieren, das auch von einem Elternteil alleine durchgeführt werden kann. Das könnte zum Beispiel sein: Das kleine Kind in den Schlaf stillen, während man mit dem grossen Kind ein Bilderbuch anschaut und das grosse Kind dann anschliessend in den Schlaf begleiten, wenn das Baby abgelegt wurde und schläft. Oder: Das Baby in die Trage nehmen und auf einem Stuhl oder Pezziball neben dem Bett des älteren Kindes sitzen. Auch das gemeinsame Hinlegen im Familienbett kann funktionieren, ist aber vom Timing her anspruchsvoll, weil ja beide Kinder gleichzeitig müde sein müssen. Darum sind auch flexiblere Lösungen wichtig.
Und manchmal muss man sich auch eingestehen, dass es keine Lösung gibt, weil man sich als Mama oder Papa nicht teilen kann. Dann sind auch undogmatische Lösungen wie Bildschirmzeit eine legitime Überbrückungshilfe, bevor das Familiensystem vor lauter Überforderung kippt. Leider haben wir im Alltag oft nicht die Unterstützung, die wir bräuchten.

Das finde ich einen ganz wichtigen Punkt den du nennst, sich bewusst zu machen, was man dem älteren Kind abverlangen kann. Ich würde da gerne noch hinzufügen, dass auch ein vierjähriges Kind, das grundsätzlich in der Lage wäre, sich für 15 Minuten selbst zu beschäftigen, das nicht in jeder Situation leisten kann. Gerade, wenn es vielleicht sowieso schon mit der neuen Familienkonstellation zu kämpfen hat und in der Geschwisterkrise steckt, hat es vielleicht keine Kapazität mehr zu kooperieren. Sich das immer wieder vor Augen zu führen, finde ich so wichtig. Vertieft bespreche ich dieses Thema deshalb auch während des Online-Elternabends meines Geschwisterkurses.

Liebe Eva, ich danke dir sehr für dieses spannende Gespräch.

Zwei Kinder in den Schlaf begleiten

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Schlafberaterin (1001Kindernacht
®) Eva Monteneri
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mit Geschwisterkindermorgen und Online-Elternabend von
Eva Gruhnwald